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(49) »Frau Holle« ein Märchen der Gebrüder Grimm von 1857

10m · Lesung - Klassiker, Philosophie, Gedichte | Gelesen von Elisa Demonki · 17 Dec 16:01

ine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit thun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen, und mußte so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, daß die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen: sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, daß sie sprach „hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.“ Da gieng das arme Mädchen zu dem Brunnen zurück und wußte nicht was es anfangen sollte: und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese wo die Sonne schien und viel tausend Blumen standen. Auf dieser Wiese gieng es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief „ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken.“ Da trat es herzu, und holte mit dem Brotschieber alles nach einander heraus. Danach gieng es weiter und kam zu einem Baum, der hieng voll Äpfel, und rief ihm zu „ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle mit einander reif.“ Da schüttelte es den Baum, daß die Äpfel fielen als regneten sie, und schüttelte bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, gieng es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach „was fürchtest du dich, liebes Kind? bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn. Du mußt nur Acht geben daß du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.“ Weil die Alte ihm so gut zusprach, so faßte sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf daß die Federn wie Schneeflocken umher flogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wußte anfangs selbst nicht was ihm fehlte, endlich merkte es daß es Heimweh war; ob es ihm hier gleich viel tausendmal besser gieng als zu Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr „ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muß wieder hinauf zu den Meinigen.“ Die Frau Holle sagte „es gefällt mir, daß du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinauf bringen.“ Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein großes Thor. Das Thor ward aufgethan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so daß es über und über davon bedeckt war. „Das soll… (weiterlesen auf https://podcast-lesung.de/49-frau-holle-ein-maerchen-der-gebrueder-grimm-von-1857/)

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(71) Bertha von Suttner »Die Waffen nieder!« (Ausschnitt aus dem ›4. Buch‹)

Rache und immer wieder Rache? Jeder Krieg muß einen Besiegten aufweisen und wenn dieser nur in einem nächsten Krieg Genugtuung finden kann, einem nächsten, der natürlich wieder einen genugtuungheischenden Besiegten schaffen wird – wann nimmt das ein Ende? Wie kann Gerechtigkeit erlangt, wann altes Übel gesühnt werden, wenn als Sühnemittel immer wieder neues Unrecht angewendet wird? Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegputzen zu wollen – nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden! Musik: Elisa Demonki

(70) Rainer Maria Rilke »Herbsttag« / Giaime Pintor »Giorno d’autunno«

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Signore: è tempo. Grande era l’arsura. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Deponi l’ombra sulle meridiane, libera il vento sopra la pianura. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gieb ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Fa’ che sia colmo ancora il frutto estremo; concedi ancora un giorno di tepore, che il frutto giunga a maturare, e spremi nel grave vino l’ultimo sapore. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Chi non ha casa adesso, non l’avrà. Chi è solo a lungo solo dovrà stare, leggere nelle veglie, e lunghi fogli scrivere, e incerto sulle vie tornare dove nell’aria fluttuano le foglie. Giaime Pintor (1919 - 1943) studierte Goethe und übersetzte die Werke von Heinrich von Kleist, Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke. Er war Schriftsteller, Übersetzer und Antifaschist. Mit gerade einmal 24 Jahren verlor er sein Leben im 2.Weltkrieg. Lesung Musik: Elisa Demonki

(69) Aesop - Die beiden Frösche

Zwei Frösche, deren Tümpel die heiße Sommersonne ausgetrocknet hatte, gingen auf die Wanderschaft. Gegen Abend kamen sie in die Kammer eines Bauernhofs und fanden dort eine große Schüssel Milch vor, die zum Abrahmen aufgestellt worden war. Sie hüpften sogleich hinein und ließen es sich schmecken. Als sie ihren Durst gestillt hatten und wieder ins Freie wollten, konnten sie es nicht: die glatte Wand der Schüssel war nicht zu bezwingen, und sie rutschten immer wieder in die Milch zurück. Viele Stunden mühten sie sich nun vergeblich ab, und ihre Schenkel wurden allmählich immer matter. Da quakte der eine Frosch: »Quack! Alles Strampeln ist umsonst, das Schicksal ist gegen uns, ich geb's auf!« Er machte keine Bewegung mehr, glitt auf den Boden des Gefäßes und ertrank. Sein Gefährte aber kämpfte verzweifelt weiter bis tief in die Nacht hinein. Da fühlte er den ersten festen Butterbrocken unter seinen Füßen, er stieß sich mit letzter Kraft ab und war im Freien. Klavier: Ulrike Theusner

(68) Kurt Tucholsky »Drei Minuten Gehör!«

Drei Minuten Gehör will ich von euch, die ihr arbeitet – ! Von euch, die ihr den Hammer schwingt, von euch, die ihr auf Krücken hinkt, von euch, die ihr die Feder führt, von euch, die ihr die Kessel schürt, von euch, die mit den treuen Händen dem Manne ihre Liebe spenden – von euch, den Jungen und den Alten – : Ihr sollt drei Minuten inne halten. Wir sind ja nicht unter Kriegsgewinnern. Wir wollen uns einmal erinnern. Die erste Minute gehöre dem Mann. Wer trat vor Jahren in Feldgrau an? Zu Hause die Kinder – zu Hause weint Mutter ... Ihr: feldgraues Kanonenfutter – ! Ihr zogt in den lehmigen Ackergraben. Da saht ihr keinen Fürstenknaben: der soff sich einen in der Etappe und ging mit den Damen in die Klappe. Ihr wurdet geschliffen. Ihr wurdet gedrillt. Wart ihr noch Gottes Ebenbild? In der Kaserne – im Schilderhaus wart ihr niedriger als die schmutzigste Laus. Der Offizier war eine Perle, aber ihr wart nur ›Kerle‹! Ein elender Schieß- und Grüßautomat. »Sie Schwein! Hände an die Hosennaht –!« Verwundete mochten sich krümmen und biegen: kam ein Prinz, dann hattet ihr stramm zu liegen. Und noch im Massengrab wart ihr die Schweine: Die Offiziere lagen alleine! Ihr wart des Todes billige Ware… So ging das vier lange blutige Jahre. Erinnert ihr euch – ? Die zweite Minute gehöre der Frau. Wem wurden zu Haus die Haare grau? Wer schreckte, wenn der Tag vorbei, in den Nächten auf mit einem Schrei? Wer ist es vier Jahre hindurch gewesen, der anstand in langen Polonaisen, indessen Prinzessinnen und ihre Gatten alles, alles, alles hatten – –? Wem schrieben sie einen kurzen Brief, dass wieder einer in Flandern schlief? Dazu ein Formular mit zwei Zetteln ... wer mußte hier um die Renten betteln? Tränen und Krämpfe und wildes Schrein. Er hatte Ruhe. Ihr wart allein. Oder sie schickten ihn, hinkend am Knüppel, euch in die Arme zurück als Krüppel. So sah sie aus, die wunderbare große Zeit – vier lange Jahre… Erinnert ihr euch – ? Die dritte Minute gehört den Jungen! Euch haben sie nicht in die Jacken gezwungen! Ihr wart noch frei! Ihr seid heute frei! Sorgt dafür, dass es immer so sei! An euch hängt die Hoffnung. An euch das Vertraun von Millionen deutschen Männern und Fraun. Ihr sollt nicht strammstehn. Ihr sollt nicht dienen! Ihr sollt frei sein! Zeigt es ihnen! Und wenn sie euch kommen und drohn mit Pistolen –: Geht nicht! Sie sollen euch erst mal holen! Keine Wehrpflicht! Keine Soldaten! Keine Monokel-Potentaten! Keine Orden! Keine Spaliere! Keine Reserveoffiziere! Ihr seid die Zukunft! Euer das Land! Schüttelt es ab, das Knechtschaftsband! Wenn ihr nur wollt, seid ihr alle frei! Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei! Wenn ihr nur wollt: bei euch steht der Sieg! – Nie wieder Krieg – ! Theobald Tiger, 1922 Lesung Sound: Elisa Demonki

(67) Johann Wilhelm Ludwig Gleim »An Leukon « (aus ›Neue Lieder‹)

Rosen pflücke, Rosen blühn, Morgen ist nicht heut! Keine Stunde laß entfliehn, Flüchtig ist die Zeit! Trink' und küsse! Sieh, es ist Heut Gelegenheit; Weißt du, wo du morgen bist? Flüchtig ist die Zeit! Aufschub einer guten That Hat schon oft gereut! Hurtig leben ist mein Rat, Flüchtig ist die Zeit! Musik: Ulrike Theusner (»Schmetterling«, komponiert mit 8 Jahren)

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