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Folge 28: Weder Gott noch Meister! Aber Liebe für Isabelle Eberhardt. Ein Gespräch mit Leïla Sebbar

36m · Littéramours · 15 Dec 11:01

Vor gut 40 Jahren betrat Leïla Sebbar mit Fatima ou Les Algériennes au square die literarische Bühne, bald gefolgt von Shéradzade, 17 ans, brune, frisée, des yeux verts, dem ersten Band der Shéradzade-Trilogie. Seit ihren Anfängen als Schriftstellerin hat Leïla Sebbar alle literarischen Formen erkundet und ein umfangreiches und beeindruckendes Werk geschaffen. Als Tochter einer französischen Mutter und eines algerischen Vaters erforscht sie Themen, die sich ihr geradezu aufgedrängt haben: Migration und Exil, die algerische Kolonialgeschichte, die Zerrissenheit zwischen zwei Ländern und zwei Kulturen, die Suche nach ihrer eigenen Stimme und die Verweigerung der Weitergabe der arabischen Sprache durch ihren Vater. Anlässlich des 60. Jahrestags der Abkommen von Evian hatte das Netzwerk der universitären Frankreich- und Frankophoniezentren 2022 Veranstaltungen zum Thema "60 Jahre nach dem Algerienkrieg: Erinnern, Bewältigen, Versöhnen" geplant. Ein Gespräch mit Leïla Sebbar konnte erst im Oktober 2023 an der Freien Universität Berlin stattfinden. Eingeladen wurde die Schriftstellerin von Ulrike Schneider, Professorin am Institut für Romanische Philologie, und Marie Jacquier. Grundlage für die rencontre littéraire waren Sebbars autobiographische Bücher Lettre à mon père, Je ne parle pas la langue de mon père und L’arabe comme un chant secret. Diese Podcastfolge ist der leicht gekürzte Mitschnitt des von mir moderierten Gesprächs. Bücher von Leïla Sebbar auf Deutsch:

  • Das verbotene Kleid. Aus dem Französischen von Sigrid Köppen, Altberliner Verlag, 1996
  • Gewalt an kleinen Mädchen. Aus dem Französischen von Helga Koletzky, Feministischer Verlag, Naumburg 1980
 

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Zwischenruf – Vergesst sie nicht!

Eine gelbe Schleife um das Handgelenk, um einen Baum oder an ein Brückengeländer zu binden und so Verbundenheit mit abwesenden, vermissten, geliebten Menschen auszudrücken, hat eine lange Tradition. Bei einem Besuch im März hat die in Frankreich und Israel beheimatete Sängerin, Theaterregisseurin, Lyrikerin und Anthropologin Miléna Kartowski-Aïach mir eine Spule mit 32 Metern gelbem Band gegeben und Texte vorgelesen, in denen sie das Leben von vier Geiseln aufscheinen lässt, die seit dem 7. Oktober 2023 von der Hamas festgehalten werden. Ich habe Milénas Stimme aufgenommen. Die Schlichtheit der biographischen Miniaturen ist bewegend. Das in wenigen Sätzen aufscheinende Wesen und Wirken der ihrer Freiheit beraubten, verletzten und gequälten Frauen und Männer berührt. Hoffen wir, dass sie noch leben. Hoffen wir, dass alle Geiseln befreit werden. Dass das Sterben in Gaza aufhört, in der Westbank, im Norden Israels, im Süden des Libanon. Dass die gewachsenen, von Individuen geknüpften israelisch-palästinensischen Bindungen halten, dass es möglich bleibt, Gespräche zu führen, die sowohl die Geiseln wie auch die Opfer in Gaza, die traumatisierten Israelis wie die verlassenen, unter der Hamas leidenden Palästinenser einschließen. „Was uns jenseits aller nationalen und religiösen Zuschreibungen verbindet“, sagt der aus Berlin nach Israel zurückgekehrte Musiker und Publizist Ofer Waldman im Gespräch mit der Autorin und Freundin Sasha Marianna Salzmann, „das ist der Schmerz, ist die Trauer um eine Welt, die vorbei ist“. Platforme: Erschütterungen einer jüdischen Existenz Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman: Gleichzeit. Briefe zwischen Israel und Europa. Suhrkamp Verlag 2024

Hors-série: Ne pas les oublier

Nouer un ruban jaune autour du poignet, autour d'un arbre ou la balustrade d'un pont pour exprimer son attachement aux personnes absentes, disparues, aimées, a une longue tradition. Lors d'une visite Miléna Kartowski-Aïach, chanteuse, metteur en scène de théâtre, poète et anthropologue basée en France et en Israël, m'a donné une bobine de 32 mètres de ruban jaune et a lu des textes qu’elle a écrit pour faire apparaître la vie d’otages détenus par le Hamas depuis le 7 octobre. Je les ai enregistrés. La simplicité de ces miniatures biographiques est émouvante. La nature de ces femmes et de ces hommes privés de liberté, blessés et torturés touche. Espérons qu'ils/qu’elles soient encore en vie. Espérons que tous les otages seront libérés. Que les morts cessent à Gaza, dans le nord d'Israël, dans le sud du Liban. Que les liens israélo-palestiniens tissés par les individus tiennent, qu'il reste possible d'avoir des échanges qui incluent aussi bien les otages que les victimes de Gaza, les Israéliens traumatisés et les Palestiniens abandonnés et souffrant du Hamas. "Ce qui nous unit au-delà de toutes les attributions nationales et religieuses", remarque le musicien et publiciste Ofer Waldman (retourné avec sa famille en Israël après avoir vécu plusieues années à Berlin) dans un entretien avec l'autrice-amie Sasha Marianna Salzmann, "c'est la douleur, c'est le deuil d'un monde qui s’est éteint et qui est passé". Plateforme: Miléna Kartowski-Aïach parle de son rapport à l’hébreu Séismes d’une existence juive

Folge 30: Das schillernde, unvollkommene Leben eines schwarzen Schwans – ein Gespräch mit dem Schauspieler Michael Evers über seinen Roman „Vinck. Jean-Marie Vinck“

Michael Evers war 23 als er 1969 ans Zürcher Theater am Neumarkt geholt wurde. Er studierte Germanistik, setzte seine Schauspielkarriere an Bühnen in Basel, Köln, Bonn, Hamburg und Berlin fort, nahm Fernsehrollen an und war jahrzehntelang ein viel gefragter Sprecher in Hörspiel-, Feature- und Audiobuchproduktionen. 2016 publizierte er seinen Debütroman Ortsfremde, 2023 den Roman Vinck. Jean-Marie Vinck.  Hans Finkelstein wuchs in Wien auf. Sein Vater war als Kleinkind mit den Eltern nach Schanghai fliehen, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nur widerwillig nach Österreich zurück, schlug dann aber eine Karriere als Diplomat ein. Hans‘ mütterliche Familie konnten sich nach Palästina retten. Seine Mutter wurde Israelin und eine unglückliche Frau in Wien. Hans rebelliert gegen das Schweigen seiner Eltern und Großeltern über die Entbehrungen des Exils, über Verwandte, die in Lagern ermordet wurden, und über Kompromisse, die sie als Rückkehrer eingingen. Sie blieben dienstbar in einer Gesellschaft, die ihre Ressentiments gegen Juden nicht verhehlte. Hans „emigrierte“ nach Paris, französisierte seinen Namen und begann als Modedesigner erfolgreich mit Kleidern Geschichten zu erzählen - bis eine Krise ihn, den Spieler, der die Gabe besitzt, „der jeweils Andere zu sein“, in eine existenzielle Krise stürzt. Michael Evers verhandelt in seinem Roman Grundfragen: Was macht mich im Kern aus? Wo komme ich her und wo gehöre ich hin? Wo will ich sein? Was habe ich falsch gemacht und was richtig? Welche Fehler lassen sich gutmachen? Er erzählt von Generationenkonflikten; von Menschen, die ins Exil gezwungen wurden und zurückkommen in ihr Heimatland, das die Vertriebenen nur unwillig aufnimmt; von Kindern, die sich vom Leben der Eltern und Großeltern ausgeschlossen fühlen; von Liebe, Verblendung und Verantwortungslosigkeit, von den Versuchen, umzukehren, vom Scheitern, vom sich aussöhnen mit dem, was man ist. „Am Ende“, so Michael Evers im Gespräch, „bleibt Vinck nichts anderes übrig, als zu sagen, so war es, so ist es passiert und mich da jetzt noch einmal einzubringen, das führt zu keinem Ziel“. Dem Theatermacher und Menschenkenner George Tabori fühlt er sich verbunden und Samuel Beckett, der wusste, dass wir fortwährend „ scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern“. Bücher von Michael Evers:

  • Jean-Marie Vinck, tredition, 2023
  • Ortsfremde, Amazon, ISBN 978-1534789159
Hörbücher (Auswahl)
  • Franz Kafka: Die Romane – Der Verschollene, Der Prozess, Das Schloss. Ungekürzte Lesungen mit Peter Simonischek, Peter Matić und Michael Evers (4 mp3-CDs)
  • Susanne Krahe: Karfreitag der Henker
Hörspiele (Auswahl)
  • David Grossman: Eine Frau flieht vor einer Nachricht. Hörspiel von Norbert Schaeffer mit Martina Gedeck, Kathrin Angerer, Michael Evers u.a.
  • Gustave Flaubert: Salambo. Regie Udo Schareck. Mit Anna Thalbach, Hans Peter Hallwachs, Michael Evers u.a.
  • Alessandro Manzoni: Die Verlobten. Regie Claudia Johanna Leist. Mit Michael Evers, Sylvester Groth, Rosemarie Fendel u.a.

Épisode 30: La vie éblouissante et imparfaite d’un cygne noir – un entretien avec l’acteur Michael Evers sur son roman „Vinck. Jean-Marie Vinck“

Michael Evers avait 23 ans lorsqu'il a été engagé au Zürcher Theater am Neumarkt en 1969. Il a fait des études de lettres modernes, a poursuivi sa carrière d'acteur sur les scènes de Bâle, Cologne, Bonn, Hambourg et Berlin, a accepté des rôles à la télévision et a été pendant des décennies un narrateur très apprécié dans les productions de pièces radiophoniques, de reportages et de livres audio. En 2016, il a publié son premier roman Ortsfremde, et en 2023 le roman Vinck. Jean-Marie Vinck. Dans son roman, Michael Evers aborde de questions essentielles : qu'est-ce qui me définit fondamentalement? D'où est-ce que je viens et où est-ce que j'appartiens? Où est-ce que je souhaite être? Qu'est-ce que j'ai fait de mal et de bien? Y-a-t-il des erreurs que je puisse réparer? Il parle de conflits de générations; de personnes contraintes à l'exil et revenant dans leur pays d'origine, qui ne les accueille qu'à contrecœur; d'enfants qui se sentent exclus de la vie de leurs parents et de leurs grands-parents; d'amour, d'aveuglement et d'irresponsabilité, d'échecs et des efforts de se réconcilier avec ce que l'on est. "A la fin", déclare Michael Evers lors de l'entretien, "Vinck devra accepter que les choses soient telles qu’elles sont. S’engager davantage ne mènera à rien". Il se sent proche de George Tabori, homme de théâtre et fin connaisseur des hommes, qui savait que nous "échouons continuellement, échouons toujours, échouons encore, échouons mieux". Livres de Michael Evers:

  • Jean-Marie Vinck, tredition, 2023
  • Ortsfremde, Amazon, ISBN 978-1534789159

Folge 29: Der blaue Koffer der Familie Samosch. David Dambitsch erinnert an die Geschichte einer jüdischen Buchhändlerfamilie aus Breslau

Seit vier Jahrzehnten dokumentiert der Hörfunkjournalist und Sachbuchautor David Dambitsch Lebenswege und Lebensleistungen von Menschen, die im 20. Jahrhundert durch den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten und ein kulturell tief verwurzeltes Ressentiment gegen Juden aus ihren vertrauten Lebenszusammenhängen gerissen, vertrieben und umgebracht wurden. Er tut dies engagiert und mit großer Einfühlsamkeit. David Dambitsch will verstehen, aufklären, bezeugen und bewahren. Seine jüngste dokumentarische Erzählung, die das Schicksal der in Breslau beheimateten, mit ihm verwandten jüdischen Buchhändlerfamilie Samosch nachzeichnet, lässt ahnen, wie viel Beharrungs- und Durchsetzungsvermögen der heute 65 Jahre alte Autor besitzt, denn trotz fehlender Kooperationsbereitschaft seitens amtlicher Stellen erwirkte er Zugang zu Informationen, die langlebige Lügen und verdeckte Wahrheiten enthüllen. Und dennoch – auch das ist Ausdruck seiner Redlichkeit – räumt er im Vorwort seines Buches ein, dass trotz jahrzehntelanger Recherchen manches offenblieb: „Es waren wirre Zeiten“. David Dambitschs Vater war es gelungen, während des Zweiten Weltkriegs in Berlin unterzutauchen. Wil Dambitsch, der bei Kriegsende 19 Jahre war, erzählte dem Sohn „von auf der Flucht erschossenen Freunden, von Hunger, Angst und Versteck. Vieles wurde nur angedeutet, rutschte ihm eher heraus, als dass er es wirklich beschrieb“. Als Jugendlicher beschloss der Nachgeborene, Lücken zu füllen und die persönliche Geschichte – wie der niederländische Rabbiner Edward van Voolen im Vorwort zu Der blaue Koffer der Familie Samosch festhält – als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen und zu erzählen. Die Geschichte seiner in vielen Ländern verstreut lebenden Familie sowie frühe Begegnungen mit Angehörigen jener Offiziere, die Hitler am 20. Juli zu töten versuchten, die Freundschaft mit dem evangelischen Theologen und NS-Gegner Helmut Gollwitzer und der deutsch-israelischen Schriftstellerin Inge Deutschkron prägten David Dambitschs Weg. Interviews mit international renommierten Historikern vertieften das Wissen um „verschüttetes Erbe“ und fortwirkende Geschichtsklitterungen. Anhand von persönlichen Erinnerungen, Briefen, Fotografien, Zeitungsartikeln, Archivalien und geschichtlich-literarischen Zeugnissen (etwa von Hans Sahl, Alfred Kerr, Norbert Elias oder Fritz Stern) rekonstruiert und reflektiert David Dambitsch in Der blaue Koffer der Familie Samosch auf eindrucksvolle Weise die Geschichte von fünf Cousins aus zwei jüdischen Familien. Sie waren um ihre Existenzgrundlagen, teilweise ihr Leben beraubte „moderne Europäer“, die – mit den Worten Edward van Voolens - „vergeblich darauf gehofft hatten, dass das Versprechen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch für sie gelten würde“.   Bücher von David Dambitsch:

  • Der blaue Koffer der Familie Samosch. Briefe und Erinnerungen. 208 S., Hardcover mit Schutzumschlag, s/w Abbildungen, Marix Verlag, Wiesbaden, 2023
  • Im Schatten der Shoah : Gespräche mit Überlebenden und deren Nachkommen, PHILO Verlag, Berlin/Wien 2002
Hörbuch-CDs:
  • “Kraft ist das, was ich brauche…”. Käthe Kollwitz und ihre Familie. Käthe Kollwitz-Museum und Deutschlandfunk Kultur, Berlin, 2020
  • Auf den Einzelnen kommt es an. Michael Blumenthal und sein Lebenswerk. Membran Music Ltd. und Deutschlandfunk, Hamburg, 2011  
  • Innen und Aussen: Der Historiker Saul Friedländer, Membran Music Ltd. und Deutschlandfunk, Hamburg, 2010
  • Weil ich überall auf der Welt zuhause bin. Das Leben des Berliner Philharmonikers Hellmut Stern. Mit Erinnerungen von Daniel Barenboim. AirPlay-Audio und Deutschlandfunk, München, 2007
  • „Eine Dame von Welt“. Die politische Journalistin Margret Boveri (1900-1975). Mit Erinnerungen von Richard Freiherr von Weizsäcker, Egon Bahr, Hans Magnus Enzensberger, Joachim C. Fest, Uwe Johnson und Nicolas Becker. AirPlay-Audio und Deutschlandradio Berlin, München, 2005     
  • Stimmen der Geretteten. Berichte von Überlebenden der Shoah. radio bremen, Deutschlandradio Berlin, NDR, Der Audio Verlag, Bremen, 2002
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